Das AUZINE ist ein Fanzine, das verewigt, was meistens verloren geht. Auf über 500 Seiten, in Deutsch, Englisch und B/K/S, werden nicht nur die sieben Jahre im AU dokumentiert werden, sondern darüber hinaus die vielen Facetten der Wiener Underground-Szene und was es eigentlich heißt, in dieser Stadt sein Leben und Schaffen dem Underground zu widmen. Es ist Sammelsurium, Dokumentation, Erinnerungsstück, Momentaufnahme und Langzeitstudie. Wer in Wien lebt und mit DIY-Kultur, Underground, experimenteller Kunst und Queer Culture zu tun hat, kennt das AU: ein Open-Space, eine Galerie und ein Club, in dem es von 2012 bis 2019 über 2000 Veranstaltungen gegeben hat, ohne nennenswerte Förderung und ohne Eintritt. Am 27. August 2019 wurde das AU geschlossen. Nach langem Überlegen ist diese schwere Entscheidung gefallen. Dabei wurde mir bewusst, wie viel Material sich angesammelt hatte: Kataloge, Texte, Interviews, Fotos, Poster, Flyer — all das ist ein Spiegel des Wiener Undergrounds der 2010er Jahre. Sofort war klar: Ein Buchprojekt muss her, eine Publikation mit Dokumentationswert, in Form eines (sehr dicken) Fanzines, gemacht von Freiwilligen und Kenner*innen für Fans und Interessierte, unabhängig von etablierten Distributionskanälen. AUZINE ist das Ergebnis des Wunsches, einerseits für uns wichtige Momente und Ereignisse seit der Gründung des AU und des Vereins LINE IN zu zeigen und gleichzeitig einen breiten Blick auf die Szene zu werfen, in der Verein, Klub und Galerie aktiv waren.
Am Anfang des Buches werfen wir einen Blick auf die Wiener Clubgeschichte, was Musik- clubs ausmacht und wie sie Öffentlichkeit herstellen. Danach folgt die Entstehungsgeschichte des AU. Wieviel Arbeit es war, das AU überhaupt einmal betriebsfähig zu be- kommen, ist eigentlich unfassbar, ebenso, was es heisst, einen solchen Raum am Leben zu erhalten. Die Hindernisse, die auf einen zukommen, sind endlos. Nicht nur bürokra- tische und finanzielle, auch alle möglichen anderen Hürden sind oft unvorhersehbar und unkalkulierbar. Im Grunde war das alles völlig wahnsinnig. Auch darum wird es in diesem Buch gehen. Ohne die Unterstützung vieler Menschen hätte es das AU nicht gegeben. Wir können keinen vollständigen Überblick über mehr als 2000 Veranstaltungen geben. Was wir aber im zweiten Teil des Buches tun werden, ist jene Projekte zu präsentieren, die das AU kontinuierlich geprägt haben: Die wichtigsten Veranstaltungen, AU-Plakate, Programmflyer, Graffiti- und Wandinterventionen mit den Portraits ihrer Künstler*innen. Zu den zahlreichen Plakaten findet ihr in dieser Publikation auch Arbeiten von und Texte über die Designer*innen der AU-Plakate und Programmflyer. Ebenso veröffentlichen wir die Fotos der Wandinterventionen, die man an den Wänden neben der Theke und in den anderen Räumen sehen konnte, der verschiedenen Graffiti-Künstler*innen.
Die Neue Welle der multi- und subkulturellen Clubmusik, progressive, alternative und experimentelle Musik, das hat uns immer interessiert. Deswegen widmen wir dem Ganzen einen eigenen Teil mit Texten, Interviews, Illustrationen und Fotos der spannendsten Bands und Independent-Labels, die im AU zu Gast waren, und der Residents, unserer musikalischen Konstante. Das AUZINE beinhaltet, neben der Geschichte über den Verein und das AU, auch die Konturen der Wiener Underground-Kultur und beschreibt herausragende Locations, Initiativen und Persönlichkeiten, die ihr Leben und Schaffen einer Subkultur gewidmet haben. Wie funktionieren die vielen kleinen, marginalisierten Initiativen der Wiener Underground-, Alternativ- und DIY-Szene? Wie arbeiten jene, die sich der Qualität von Pro- duktionen abseits des Kommerz verschrieben haben? Das AUZINE beleuchtet auch die Arbeit, die dahinter steckt, wie sich Netzwerke organisieren und welche Wege sie gehen. Wir bemühen uns auch, die Verflochtenheit der verschiedenen Kulturen in Wien, sowie deren Subkulturen und ihre Verbindung mit der multikulturellen Underground-Szene darzustellen, denn gerade das ist ein für Wien spezifisches Konglomerat und unterscheidet diese Alternativszene von vielen anderen. Ein Teil des AUZINE ist lieben und wichtigen Menschen gewidmet, Outsidern im positivsten Sinn des Wortes. Und weil es nicht nur Outsider, sondern auch Orte für Outsider braucht, findet man in diesem Teil auch Geschichten aus der Randzone der Gesellschaft. Zusammen mit dem AUZINE erscheint eine Sonderauflage von Comics, Vinyls, Tonbildpostkarten und Tapes.
Das AUZINE wurde für Interessierte gemacht und von Freiwilligen hergestellt. Gedacht ist es für ehemalige Besucher*innen, Künst- ler*innen und Kunstinteressierte, Musiker*innen und Musikfans, Lokalhistoriker*innen, Grafiker*innen, Punks, Queers, Alte, Junge, Alterslose etc. Die Dreisprachigkeit soll eine breitere Leserschaft ermöglichen und für ein besseres Verstehen der lokalen Szene und über sie hinaus sorgen.
Seit ich in Wien lebe, engagiere ich mich in der Kunst-, Kultur- und Underground-Szene dafür, dass es gemeinnützige und nicht-profi- torientierte Räume (wie das AU), Projekte und Veranstaltungen gibt, die sich mit multikulturellen, soziokulturellen und migrantischen Fragen auseinandersetzen. Diese Arbeit fordert extrem viel Energie und bewegt sich immer am Rande des finanziellen Absturzes. Es war mir ein großes Anliegen, das AUZINE zu realisieren, damit auch dieser Teil der Gesellschaft und seine Aktivitäten in einem Buch festgeschrieben und damit nicht vergessen werden.
Text: MICHAEL PODGORAC